
Das internationale Genf – ein Instrument der Aussenpolitik
Juin - 2025
Editorial von Laurent Wehrli, Ständerat
Die Nachricht hat die Welt überrascht: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterzeichnet ein Abkommen zur Prävention von Epidemien, das nach langen Verhandlungen von den Mitgliedsstaaten breit befürwortet wurde. Der Multilateralismus ist also doch nicht tot.
Eine gute Nachricht in diesen düsteren Zeiten, in denen internationale Organisationen und NGOs zu drastischen Sparmassnahmen und massiven Entlassungen gezwungen sind. Die US-Entwicklungshilfeagentur USAID streicht Subventionen und gefährdet damit weltweite Projekte im Bereich humanitäre Hilfe und Gesundheit. Organisationen kündigen Entlassungen an, sowohl vor Ort als auch in Genf. Der Kanton Genf hat das Ausmass der Krise erkannt und rasch reagiert. Er beschloss, dem internationalen Sektor eine direkte Unterstützung von 10 Millionen Franken zu gewähren. Der Ständerat befürwortet die Vergabe eines Darlehens von 44 Millionen Franken für die Renovierung des Hauptsitzes der Internationalen Organisation für Migration (IOM); zudem wurde eine zusätzliche Unterstützung von 80 Millionen Dollar für die WHO im Zeitraum 2025–2028 angekündigt. Niemand bestreitet, dass Reformen notwendig sind, doch sollten sie nicht so überstürzt erfolgen, indem die Mitarbeitenden plötzlich entlassen und die betroffenen Bevölkerungsgruppen vor Ort im Stich gelassen werden.
Nach der Schockstarre der ersten Tage nimmt die Mobilisierung Gestalt an. Vorschläge entstehen: Beteiligung an der konkreten Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde Organisation einer grossen Konferenz über die Zukunft des Multilateralismus, zumal die Verhandlungsorte inzwischen nach Ankara, Doha, oder Riad verlagert werden Stärkere Einbindung der Länder des «globalen Südens» Bessere Einbeziehung von philanthropischen Stiftungen in die Überlegungen Diversifizierung der Finanzierungsquellen Diese Ansätze sind wichtig, um die multilateralen und humanitären Aktivitäten des internationalen Genfs zu erhalten und weiterzuentwickeln, denn als wesentliches Zentrum der Soft Power kommt es der Welt und der Schweiz zugute. Die jüngsten Verhandlungen zwischen den USA und China über Zölle sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür.
Die gegenwärtige Krise stellt die Werte unseres Landes auf die Probe. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass sich die Schweiz, ihre Bürgerinnen und Bürger sowie die Behörden weiterhin für starke humanitäre Werte engagieren.