Bundesengagement für den Multilateralismus

Juin - 2025

Die Herausforderung

Nun ist also der Bundesrat gefordert, er muss Stellung beziehen und Fragen beantworten. Ständerat Pascal Broulis hat im März offiziell eine Motion eingereicht. Sie trägt den Titel: «Bedrohungen für das internationale Genf und das Ökosystem des Multilateralismus. Welche Massnahmen ergreift der Bundesrat?»

Die Motion stellt eine Reihe von Fragen: Wie beurteilt der Bundesrat die Situation? Kann er die wirtschaftlichen Auswirkungen für das internationale Genf und die Schweiz beziffern? Wird er sich darüber hinaus konkret dafür einsetzen, die Resilienz und die Positionierung des internationalen Genfs zu stärken, und sein Handeln zugunsten des Multilateralismus ausrichten? Schliesslich stellt sie die Frage, ob der Bundesrat seine Strategie zum Multilateralismus und zum Gaststaat 2026-2029 angesichts der jüngsten Entwicklungen anpassen muss.

Der Bundesrat ist bereits kritisiert worden. Manche sprechen von einem «ohrenbetäubenden Schweigen» angesichts der Auswirkungen der neuen US-Politik auf die weltweite humanitäre und gesundheitliche Hilfe. Das internationale Genf befindet sich im Sturm. Doch am Bundeshorizont ist kein Leuchtturm zu sehen.
Die bundespolitische Perspektive ist natürlich bewusst gewählt. Was in Genf geschieht, wird zahlreiche humanitäre Organisationen im ganzen Land betreffen. Die Motion setzt sich zwar für Genf ein, zielt jedoch vor allem darauf ab, die Schweiz insgesamt zu stärken. Sie profitiert vom internationalen Status des Kantons und kann dadurch eine grössere Rolle einnehmen, als es ihrem tatsächlichen politischen Einfluss oder ihrer wirtschaftlichen Stärke entsprechen würde.

Das hochrangige Treffen zwischen China und den Vereinigten Staaten, das am 10. und 11. Mai in Genf stattfand, unterstreicht die Relevanz dieses Arguments eindrücklich. Am anderen Ende des Sees verhandelten China und die USA über Zölle, und das vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Handelskonflikts. Der US-Finanzminister Scott Bessent traf bei dieser Gelegenheit die Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter. Und der chinesische Vizepremier He Lifeng war zu Gast beim Bundesrat. Die Gespräche fanden in der Residenz des Schweizer UNO-Botschafters oberhalb des Genfersees statt. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten feiert die Rolle Genfs und verweist auf Neutralität und diplomatische Expertise. Erst vor wenigen Tagen verkündete die WHO ebenfalls in Genf den Abschluss eines historischen Abkommens zur weltweiten Pandemieprävention.

Die Genfer Diplomatie-Plattform funktioniert. In Genf wird diskutiert, verhandelt und es werden Abkommen geschlossen. Das ist erfreulich und willkommen, doch es ändert nichts an den aktuellen Schwierigkeiten, die die Rolle unseres Landes in den Weltangelegenheiten ernsthaft gefährden können. Denn heute stehen auch die Grundwerte auf dem Spiel, für die sich die Schweiz seit Jahrzehnten einsetzt. Es ist wichtig zu zeigen, wie wir diese weiterhin verteidigen wollen, und die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Schweiz ein Ort bleibt, an dem für die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts eingetreten wird.

Welche Zukunft wünscht sich die Schweiz für ihr aussenpolitisches Instrument? Genau darum geht es.

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